Montag, 13. Mai 2013

Lebt Euren Traum!


Heute dürfte unsere Gruppenleiterin besonders postiv gelaunt sein, denn obwohl wir ihre "Ooohhmg-Stimmübungen" verweigert haben (für Joga war der Raum gottseidank zu klein), schwärmt sie uns von unseren unbegrenzten Möglichkeiten vor. Zwischen Ratschlägen wie "Jeden Tag in den Spiegel schauen und uns selbst laut vorsagen, wie super wir nicht sind" und "bei einem Vorstellungsgespräch kurz vorher auf die Toilette zu gehen, um dort das Lächeln zu üben und unsere Energiebahnen frei zu klopfen" gibt es auch noch Einkaufstipss von Hofer. Ach ja, und bei Lidl ist der Wein Soundso im Angebot, der laut ihrer Aussage besonders köstlich ist. Das ist doch ein weiterer guter Grund mit dem Saufen anzufangen! Aber vorher brauche ich noch ein Aspirin, denn meine Kopfschmerzen verursachen derart ohrenbetäubenden Tinnitus, dass ich die weiteren Sonderangebote von Ziepunkt nicht mehr höre. Zugegebenermaßen, Arbeitslose hätten genug Zeit um sich über alle Rabatte und Aktionen zu informieren - aber ist das wirklich das Sinnvollste, dass wir zur Zeit machen können? Atmen und Schnäppchen jagen? Ach ja, und lächeln - falls uns unterwegs unser Traumchef über den Weg läuft (das Universum weiß ja jetzt über unsere Wünsche bescheid) oder wir doch an der Kassa enden. Tatsächlich wage ich zu fragen, ob jemand in der Gruppe weiß, ob man bei Hofer oder Zielpunkt als Kassiererin mehr verdient, bereue mein praktisches Denken aber sofort. Ein stechender Blick straft mich sofort und trifft tief in mein Herz. "So weit kommt es noch, dass Akademiker an der Kassa sitzen!" Bei so viel Naivität muss ich lächeln - auch betrunkene Schnäppchenjäger brauchen Geld zum Shoppen. Als Buße muss ich einen Vortrag über Visionen über mich ergehen lassen. "Unser Traumjob wartet doch draußen auf uns!" Wieso sitzen wir dann noch drinnen?
Einen Notfallsplan hat sie auch für uns parat: Wir müssen nur etwas Geniales erfinden, dann haben wir ausgesorgt. So einfach ist das! Diese Simplizität erweckt meinen zynistischen Kampfgeist: Meine AMS-Beraterin hat mich hergeschickt, damit ich realistischer werde. Und mit Realismus meint sie, meine mangelnde Bereitschaft für unbezahlte Praktika oder Arbeitsstellen im Ausland. Für ein paar Sekunden kann ich mit dieser Aussage ihren Redefluss unterbrechen. Doch sie scheint eine unbeirrbare innere Quelle zu haben, bei der es sofort wieder heraus sprudelt: "DU bist bereit für deine Berufung, die nichts mit der Welt zu tun haben muss!" Nur mühsam kann sie sich selbst zurückhalten um nicht auf den Tisch zu springen als sie ruft: "Lebt Euren Traum!"   Na dann, gute Nacht!

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