Sonntag, 26. Mai 2013

Pünktlichkeit und andere Fehler


Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben - im AMS-Kurs scheint dieser Spruch außer Wirkung gesetzt worden zu sein - leider ohne mein Wissen.
Dieser Kurstag beginnt genauso schwierig wie er aufhören wird. Nämlich in aller Frühe "Morgenstund hat Kaffee im Mund" (für Arbeitslose gibt es kein Gold!), pünktlich wie immer, nur leider diesmal als Einzige. Als ich den Kursraum betrete, taumle ich erschrocken zurück. Irgendetwas sah die letzten Male anders aus ... Ach ja, die Kursteilnehmer und die Leiterin. Verwirrt und schlaftrunken wanke ich zur Information, um zu erfahren, dass ich mich weder im Raum noch mit dem Datum vertan habe. Also an mir liegt es nicht - doch was nützt mir das, wenn in meinem Kursraum ein völlig anderer Kurs stattfindet. Tatsächlich überlege ich, ob das nicht meine Chance sein könnte, einer sinnvolleren Tagesbeschäftigung nachzugehen, wie bügeln oder Katzen streicheln. Doch ich beschließe mir noch einen Kaffe zu holen (vielleicht war der vorige versehentlich koffeinfrei) und den Gang entlang zu schlendern, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht. Aber ich bleibe mutterseelen allein, sogar die Herren-Toilette suche ich nach heimlichen Rauchern aus meinem Kurs ab. Nach einer viertel Stunde trippel ich mit gesenktem Kopf - es ist einfach zu peinlich - wieder zur Information um leise zu wimmern "Im Kursraum 5 sitzt eine völlig andere Gruppe und meine Gruppenleiterin ist nicht aufzufinden." Dabei komme ich mir wie ein kleines Kind vor, das sich verlaufen hat. Rufen die jetzt meine Mama aus, damit sie mich abholt? Die Rezeptionistin wirkt überfordert, das stand wohl nicht in ihrer Job-Beschreibung. Dreimal muss ich ihr mein Problem schildern, bis sie kopfschüttelnd in der Direktion verschwindet. Heraus kommt Napoleon mit wehenden Nasenhaaren und polierter Glatze, schleift mich zum Kursraum 5, reißt die Tür auf und brüllt "Das ist nicht ihre Gruppe, so, so?! Ihnen werd ich Ihre Albernheiten schon abgewöhnen!" Zwanzig ahnungslose Augen blicken uns entgeistert entgegen, und ein, mir unbekannter Kursguru flötet mit sanfter Stimme "Ist irgendetwas nicht in Ordnung?" Direktor Napoleon zieht seine angeschwollene Gorilla-Brust wieder ein und fragt, was Gruppe 8 im Kursraum 5 zu tun hat. Es stellt sich heraus, dass Guru 8 den Raum 5 viel spiritueller fand und ihn außerdem leer vorfand und daher umzog. Wo Gruppe 5 ist, weiß auch er nicht. Ich und meine Albernheiten sind aus dem Schneider, für so viel Gruppen-umzugs-dynamik kann ich wirklich nichts. In dem Moment erscheint meine Kursleiterin und macht genauso ein verdattertes Gesicht wie Napoleon. Einmal verschläft sie und schon nimmt man ihr den Kursraum weg! Und wo sind ihre Teilnehmer-hat man die ihr auch weggenommen? (als würde uns irgend jemand freiwillig nehmen ...) Mit ihrem hysterischen Geschnattere schafft sie es, das Zimmer in Kürze zu leeren und hocheitsvoll ihren alten Thron einzunehmen. Langsam trudeln auch die anderen ein, es hat wohl eine Verschwörung der Wecker gegeben, keiner außer meinem hat rechtzeitig geläutet. Man könnte jetzt erwarten, dass sie alle zu-spät-Kommenden einträgt oder zumindest tadelt. Aber die Raumbesetzung und die poltische Einmischung Napoleons belasten sie und sind für sie ein weiterer Beweis, dass Frauen von Männern immer noch am Arbeitsplatz unterdrückt werden. Da keiner so genau wissen will, was sie damit meint oder wie sie darauf kommt, schweigt jeder und hofft, dass ihr das als Zustimmung reicht. Wäre ich nur gegangen, als ich noch konnte - oder noch besser: hätt ich nur verschlafen! Denn heute habe ich nur gelernt, dass Pünktlichkeit manchmal auch bestraft wird ...

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