Donnerstag, 16. Mai 2013

Meine Artgenossen und andere Arbeitssuchende


Da die heutige Mision unserer Vortragenden lautete, uns die Selbstständigkeit andrehen zu wollen "Es ist ja soooo einfach" ( ... uns aus der Arbeistlosen-Statistik hinauszuschieben), musste ich mir für die heutigen acht Kurs-Stunden eine andere Beschäftigung zulegen. Schlafen empfand ich als zu ehrlich, Zeitung lesen als zu unhöflich und im Internet surfen war wegen technischer Probleme nicht möglich. So unterzog ich die anderen Teilnehmer einer genaueren Untersuchung, damit ich nicht ständig nur über die Kursleiterin schlecht schreiben muss. (Namen wurde natürlich von mir geändert, sonstige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht zufällig und rein beabsichtigt.)
Karl, ein ehemaliger Pilot, ist für zahlreiche Fluglinien geflogen, die alle in Konkurs gegangen sind. Als verständnisvoller Zuhörer will man ihm nicht die Schuld daran geben, aber unwillkürlich denkt man doch, dass er wohl Unglück bringt. Als er von seiner eignen Fluglinie erzählt, stempel ich ihn als Hochstapler ab, noch dazu, weil er ständig betont, dass er keine Namen nennen darf (nicht einmal von seiner eigenen Firma?). Szenen aus "Catch me if you can" flackern vor meinen Augen auf und ich nenne ihn in weitere Folge nur noch Senior Abagnale.
Martin dagegen ist ein wahrer Tiefstapler. So tief, dass er überhaupt nichts von sich erzählt. Beharrlich schweigt er zu jedem Thema und hat nie das Bedürfniss sich kund zu tun oder sich wenigstens einmal über diesen Kurs aufzuregen. Offensichtlich nimmt er Beruhigungsmittel und ich nehme es ihm übel, dass er Karl nie welche anbietet. Vielleicht ist es aber auch nur seine Art des Protest -ein stummer Querulant sozusagen.
Tarkan sucht eher eine neue Frau, als einen neuen Job, da er sich lieber auf Single-Seiten herumtreibt als auf Job-Portalen. Als ich mich einmal nicht zurückhalten kann und missbiligend den Kopf schüttel, erklärt er mir inbrünstig, dass er eine alte Millionärin sucht, die ihn aus dieser Misere herausholt. Er hat das mit der "Vision, die nichts mit der Welt zu tun hat" (unsere Kurshymne) sehr ernst genommen. Man kann ihm keinen Vorwurf machen, dass er anfällig für diverse Glaubenssätze aus dem Kurs geworden ist - 2 x 8 Stunden pro Woche Gehirnwäsche hinterlassen eben ihre Spuren.
Mit Egon, dem Juristen, vermeide ich jedes Gespräch, da er einem das Wort im Munde umdreht. Eine alte Berufsangewohnheit. Wäre er noch Anwalt im Dienst, würde ich ihn sofort als Strafverteidiger wählen (falls ich einen brauchen sollte), doch er hat sich für "die Gerechtigkeit entschieden". Mit Tränen in den Augen schildert er gerne jeder/m Zuhörer/in gesetzliche Mißstände und andere juristische Fallstricke. Es gibt keine Gerechtigkeit vor Justitia und er möchte kein Geld mehr von Kriminellen nehmen. Obwohl sein Maßanzug Seriösität ausstrahl, tun es seine Erzählungen nicht. Irgendetwas an seiner Geschichte stinkt gewaltig, aber ich habe zu wenig Kaffee getrunken um mich auf einen rethorischen Disput mit ihm einzulassen.
Tatsächlich gibt es etwas, das man von ihnen lernen kann: von Karl, die Methode, einfach niemanden ausreden zu lassen und das Gegenüber mit Erfolgsgeschichten zuzutexten, bis man vergessen hat, was man sagen wollte. Von Martin, die buddistische Widerstandstrategie: einfach nichts zu sagen, bis der Andere einschläft. Von Tarkan wie man sich (als Frau) vor einem Vorstellungsgespräch stylisch pimpt und soviel Blödsinn redet, bis man Mitleid mit ihm hat. Und von Egon, dass keine Gerechtigkeit zu erwarten ist, möge kommen, was wolle und nur keine Aussage von ihm offen anzweifeln, sonst wird man mit Paragraphen beschossen.
Danke liebe Mitleidende!
    

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen